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Infoblatt GALILEO


Überblick über das im Aufbau befindliche europäische Satellitennavigationssystem



(esa)

GALILEO wird nach demselben Prinzip wie GPS arbeiten (Bodenstation - Satellit - Empfänger), es soll jedoch wesentlich zuverlässiger sein. Die Genauigkeit von GALILEO ist vor allem dank der Struktur seiner Satellitenkonstellation und seines Netzes von Relais-Stationen auf der Erde höher und konstanter. Diese garantierte Genauigkeit ist für gewisse Anwendungen unerlässlich, so können Kollisionen an Hafeneinfahrten vermieden oder Fahrzeuge bis in die Parklücke gelenkt werden. Galileo verfügt über eine außerordentliche Zuverlässigkeit, da Benutzer mit einer "Integritätsmeldung" sofort auf mögliche Fehler aufmerksam gemacht werden; außerdem können die GALILEO-Signale ohne Schwierigkeiten auch in Gebieten wie Nordeuropa empfangen werden. Für bestimmte Dienste erzielt Galileo die hohe Kontinuität, die in der Wirtschaft insbesondere zur Erfüllung vertraglicher Haftungsverpflichtungen unerlässlich ist.


Anwendungen von Galileo

Die Möglichkeiten für potenzielle Anwendungen sind sehr breit gefächert. Im Verkehrssektor werden Sicherheit, Effizienz und Komfort gesteigert. Darüber hinaus sollen die technologischen Möglichkeiten und die kommerziell orientierten Dienste das System zu einem wertvollen Instrument für alle Wirtschaftsbereiche werden lassen. Dieses Potenzial wird durch die Integration mit anderen Technologien (Mobilfunk, herkömmliche Navigationshilfen) noch erhöht. Das Management von Infrastruktur und öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die Verwaltung landwirtschaftlicher Betriebe und der Viehbestände, die Koordinierung externer Mitarbeiter, sogar die Authentisierung bei elektronischen Bankgeschäften und im elektronischen Handel sollen durch GALILEO einfacher werden. Nicht nur die Wirtschaft und die Unternehmen können aus Galileo Nutzen ziehen, auch für die öffentlichen Dienstleistungen wird das System von großem Vorteil sein. Abgesehen von Rettungsaktionen und Grenzkontrollen kann Galileo auch spezifischen Nutzergruppen sehr nützlich sein: bei der Führung von Blinden und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, bei der Betreuung von unter Gedächtnisverlust leidenden Alzheimer-Patienten, beim Umweltschutz sowie als Orientierungshilfe für Forscher, Wanderer oder Bootsbesitzer. Sogar die automatische Steuerung von Flugzeugen in den kritischen Start- und Landephasen wird ermöglicht. Die mannigfaltigen Möglichkeiten des Systems sind heute wahrscheinlich noch gar nicht absehbar.
Die Europäische Union vertritt den Standpunkt, dass es keine Monopole geben sollte, wenn es um die Lösung globaler Probleme geht. Anlässlich der dritten Konferenz der Vereinten Nationen über die Erforschung und friedliche Nutzung des Weltraums (1999) wurde der Einsatz der Weltraumtechnologien zur Lösung dieser Probleme betont. Die Europäische Union trägt nun aktiv zu den Maßnahmen der Vereinten Nationen in diesem Bereich bei. Zum GALILEO-Programm gehören auch Maßnahmen zur Entwicklung eines Zertifizierungsrahmens und zur Ermittlung der Zertifizierungsanforderungen, die für das System gelten. GALILEO wird mit dem bestehenden amerikanischen System GPS voll kompatibel sein, die bestehenden Empfänger können also weiter genutzt werden. Die EU möchte die Infrastrukturen für die Satellitennavigation durch ein zusätzliches System nach dem neuesten Stand der Technik verstärken, das den Nutzern auf der ganzen Welt robustere, präzisere und zuverlässigere Dienste bietet.


Die GALILEO-Dienste

An erster Stelle bei der Entwicklung von GALILEO steht der Wunsch nach einem eigenständigen, nicht militärischen Erwägungen unterliegendem Navigationssystem. Es soll sich an zivilen Erfordernissen orientieren und im Vergleich zu GPS diverse verbesserte Leistungsmerkmale aufweisen. Um allen Anforderungen zu genügen, wird GALILEO Dienste auf verschiedenen Niveaus anbieten:
  • einen kostenlosen Basisdienst, mit dem Schwerpunkt auf kundenbezogenen Anwendungen und auf Diensten von allgemeinem Interesse. Für diese Anwendungen ist zwar auch GPS kostenlos, GALILEO bietet aber eine höhere Qualität und zeichnet sich durch größere Zuverlässigkeit aus.
  • Dienste mit eingeschränktem Zugang für kommerzielle, professionelle und sicherheitskritische Anwendungen, die höhere Leistungen erfordern und Entwicklungen mit einem "Mehrwert" mit sich bringen. Diese reichen bis zu einem äußerst eingeschränkt zugänglichen Dienst für Anwendungen, die in keinem Fall beeinträchtigt werden dürfen. Die kostenpflichtigen Dienste werden zur Finanzierung des Systems beitragen.



Das gemeinsame Unternehmen GALILEO

Das gemeinsame Unternehmen Galileo leitet die Entwicklungsphase des Programms (2002 - 2005) und bereitet die Errichtungsphase und die Betriebsphase vor. Gründungspartner des Unternehmens sind die Europäische Gemeinschaft und die Europäische Weltraumorganisation ESA. Die Europäische Investitionsbank und private Unternehmen können sich beteiligen, die Beteiligung von Drittländern ist in der Satzung ebenfalls vorgesehen. Einige Drittländer haben bereits ihr Interesse an einer solchen Assoziierung mit dem Programm bekundet. Das gemeinsame Unternehmen wird die Entwicklung der weltraum- und bodengestützten Infrastrukturen überwachen und den Markt auf den künftigen kommerziellen Betrieb von GALILEO vorbereiten. Es wird sich ferner um die Mobilisierung der notwendigen öffentlichen und privaten Finanzierungsquellen kümmern. Die Kosten umfassen die Entwicklung und Errichtung einschließlich des Starts von 30 Satelliten und die Errichtung der Bodenstationen. Für die Entwicklungsphase sind derzeit 1,8 Mrd. Euro, für den Aufbau etwa 3,4 Mrd. Euro veranschlagt. Nach Schätzungen der EU-Kommission werden diese Mittel jedoch nicht ausreichend sein, eine weitere Erhöhung wird daher auch nicht ausgeschlossen.
Im Frühjahr 2007 ergab sich für das Projekt jedoch eine finanzielle Problemlage. Politik und private Investoren konnten sich nicht auf ein gemeinsames Konzept einigen, so dass die Zusammenarbeit mit dem Industriekonsortium scheiterte. Um die daraus entstehende Finanzierungslücke zu kompensieren, einigte man sich auf EU-Ebene darüber, Steuermittel einzusetzen. Wie sich die Belastung auf die einzelnen Staaten verteilt, war jedoch lange Zeit unklar. Auch über die Modalitäten der Ausschreibungen für Galileo herrschte zwischen den Mitgliedsstaaten Uneinigkeit. Erst Ende November 2007 konnte bei den Verhandlungen letztendlich ein Durchbruch erreicht und das Projekt gerettet werden. Mitte 2008 wurden die Aufträge neu ausgeschrieben.


GALILEO-Zeitplan

Die Entwicklung von GALILEO findet in vier Phasen statt:
  1. Phase: Die Planungs- und Definitionsphase wurde im Januar 2006 mit dem Start und der Inbetriebnahme des ersten Testsatelliten abgeschlossen.
  2. Phase: In der Entwicklungsphase werden drei bis vier funktionsfähige Satelliten in Betrieb genommen und das Bodensegment errichtet. Das Bodensegment besteht aus vernetzten Empfangs- und Senderstationen.
  3. Phase: Das System wird in der Errichtungsphase fertiggestellt. Alle 30 Satelliten sollen betriebsbereit sein und mit dem Bodensegment kommunizieren.
  4. Phase: Die finale Phase ist der kommerzielle Betrieb von GALILEO. Bis Ende 2013 soll das System im vollem Umfang funktionstüchtig sein.


    Aktuelle Entwicklung

    Im Oktober 2010 hat die Europäische Kommission eine neue Kalkulation für das Projekt veröffentlicht. Demnach werden die notwendigen Investitionen sehr viel höher sein, als dies ursprünglich geplant war. So dürfte sich die Errichtung des Systems um 1,5 bis 1,7 Millarden Euro verteuern. Hinzu kommt die Befürchtung, dass Galileo auf langfristige Sicht nicht rentabel arbeiten wird. Nach derzeitigem Stand sehen die Berechnungen bei direkten Einnahmen von 100 Mio. Euro im Jahr einen Zuschussbedarf von 750 Mio. Euro im gleichen Zeitraum. Neben diesen finanziellen Zusatzbelastungen wird auch davon ausgegangen, dass der Endausbau des Systems erst in 2017/18 abgeschlossen sein wird.
    Einen Erfolg verbuchte das Gemeinschaftsunternehmen am 21. Oktober 2011. An diesem Tag wurden die ersten zwei Satelliten für das Satellitennavigationssystem ins All geschickt. Bis 2014 sollen insgesamt 16 weitere Satelliten folgen. Mit den dann 18 Satelliten startet stufenweise der Betrieb des Systems.


    Quelle: Geographie Infothek
    Autor: Lars Pennig, Kristian Uhlenbrock
    Verlag: Klett
    Ort: Leipzig
    Quellendatum: 2003
    Seite: www.klett.de
    Bearbeitungsdatum: 28.11.2011